Kinder und erwachsene Kinder

19. Juni 2021 0 Von Ina

19.Juni 2021

Was auch immer jemanden dazu bewegt, Kinder in die Welt zu setzen – ich habe es getan und das jedes Mal mit großer Liebe und einem wunderbaren Glücksempfinden. Und zwar gleich fünf Mal. In meiner ersten Ehe drei und in der zweiten zwei. Dazu kam noch ein Kind meines zweiten Mannes. Alles in allem also sechs Kinder. Und jedes dieser Kinder war es wert, geboren worden zu sein. Ich liebe unsere Kinder alle und bin glücklich, wenn ich sie um mich haben kann.

Nun aber sind (wären) vier unserer Kinder schon erwachsen. Sandra konnte diesen Schritt nicht schaffen, trotzdem zähle ich sie zu den Erwachsenen dazu.

Gute Eltern lassen ihren Kindern Flügel wachsen und sie davonziehen. (Es bleibt einem eigentlich auch nichts anderes übrig). Was mich an dieser Sache sehr bewegt ist, dass unsere Kinder weit weg geflattert sind. Es sind immer um die 300 Kilometer und genau das ist es, was mich oft traurig macht. Wir können nicht einfach mal zum Kaffee vorbeifahren. Also muss immer geplant und terminiert werden. Treffen in der Woche sind gar nicht drin, es sind immer Wochenenden. Das betrifft ebenso den Rest der Familie. Und wenn ich alle Erinnerungen zurückspule, bin auch ich nicht in meiner Heimat geblieben, sondern der Arbeit hinterhergezogen. Also habe auch ich Eltern hinterlassen, die lange Wege in Kauf nehmen mussten, wollten sie uns mal sehen. Ich darf also nicht unfähr werden.

In meiner Kindheit gab es das nicht. Irgendwie wohnte meine Familie im engeren Umkreis von maximal zwanzig Kilometern. Meine Großeltern konnte ich mit dem Fahrrad erreichen, ebenso meine Tanten, Onkeln, Cousins. Geburtstage wurden meistens mit allen gefeiert. Und auch sonst trafen wir uns oft. Vielleicht mag das eine verklärte Kindheitserinnerung sein, aber rückwärts betrachtet tut sie mir gut.

Und heute…?

Unsere kleinen, noch nicht erwachsenen Kinder können nur zur Familie, wenn wir sie hinfahren. Mal allein Großeltern, große Geschwister, Tanten, Onkel usw. besuchen ist nicht drin. Sie sind von uns abhängig. Und ja, sie könnten skypen, und was weiß ich nicht noch alles. Aber all das ist nicht dasselbe, wie Familie hautnah zu erleben.

Die erwachsenen Kinder wohnen alle sehr weit weg, mein großer Kleiner mittlerweile mit Frau 15952 Kilometer weit. Vielleicht nur für zwei oder drei Jahre, vielleicht aber auch länger. Wer weiß…

Wie geht es mir damit? Nicht wirklich gut. An die 300 Kilometer habe ich mich gewöhnt. Irgendwie versuchen wir immer alles unter einen Hut zu bekommen und allen gerecht zu werden. Aber 15952 Kilometer… . Das habe ich noch nicht erfasst. Das rumort noch in mir herum. Wir könne an nichts wirklich teilhaben. Natürlich sehen wir uns über alle möglichen elektronischen Wege und Kanäle, aber es ist nicht dasselbe. Es ist zu weit!

Natürlich sollen alle Kinder glücklich werden und ihren Weg gehen. Das weiß ich und das klingt täglich in meinem Kopf. Vielleicht hängt alles mit meinen schlimmen Abschiedserfahrungen zusammen. Immer wieder schleichen sich diese Ängste ein. Es macht mir zu schaffen und wird sicher noch lange brauchen, bis Ruhe einkehrt. Irgendwann.

Ich habe einen Artikel im Spiegel über einen Mann gelesen, der vor etlichen Jahren beruflich mit Frau und Kindern nach Australien gegangen ist. Er erzählte dann, dass seine Eltern beide über 80 sind und zurecht kommen und ein Freund von ihm in der Nähe wohne, der auch mal nach ihnen schaut. Einmal im Jahr kommt er mal nach Deutschland…  Mit kamen die Tränen …

Also ich brauche definitiv noch Zeit. Und ich werde mich immer wieder ganz dolle freuen, wenn ich eines unserer Kinder und nun auch Schwiegerkinder im Arm halten kann. Für mich ist Familie alles und ohne Familie alles nichts.

Nun wünsche ich all unseren Kindern alles Glück dieser Erde und das sie glücklich werden mögen.

Auch als erwachsener Mensch muss ich nun wieder neue Wege lernen.